Streiks überall, aber unser Zug geht.
Dass wir am 22.3.23 so superpünktlich am Bahnhof in Nantes angekommen sind, war durchaus erstaunlich, denn
a) das hatten wir in den Vorjahren so gut wie nie erlebt.
b) wir fuhren zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits seit Wochen viele Französinnen und Franzosen auf die Straße gingen, um gegen die Rentenreform zu protestieren.
c) am Tag danach lief im französischen Zugverkehr so gut wie nichts mehr.
Nach großem Hallo ging es dann in die Gastfamilien. Trotz der Freude, seinen/seine corres wieder zu treffen, war einigen Schüler*innen etwas bange zumute, denn es ist ein Leichtes, einen Gast in Deutschland in seiner Familie aufzunehmen, aber es ist doch etwas anderes, in Frankreich eine Woche lang bei einer fast unbekannten Familie zu wohnen, die darüber hinaus auch noch ausschließlich französisch spricht.
Am nächsten Morgen erlebten wir schon die erste Überraschung: das altehrwürdige Lycée Clemenceau war mit Mülltonnen verbarrikadiert, davor mit Plakaten, Fahnen und Megaphonen ausgestattete streikwillige Schüler* innen, und Lehrer*innen. Unser geplanter Unterrichtsbesuch fiel dem Streik zum Opfer. Auch die Stadtrallye konnte aufgrund von Tränengaseinsätzen und brennenden Mülltonnen in Teilen der Innenstadt nicht stattfinden. Und so durften wir Deutsche in der Obhut unserer Gastfamilien bleiben. Da die Rentenreform keinen Franzosen kalt ließ, bot dieses doch sehr emotional geführten Thema für unsere Schüler*innen einen guten Redeanlass, aber auch einen tiefen Einblick in französische Sichtweisen.
Das Motto der weiteren Woche hieß daher: Restons flexibles!
Der ein oder andere Programmpunkt musste kurzfristig geändert werden, wie der Tagesausflug an den Atlantik, da unklar war, ob der Zugverkehr für die Hin- und Rückfahrt überhaupt stattfinden würde.
Das Volleyballturnier, das kurzerhand eine andere Aktivität ersetzte, war ein großer Erfolg. Nach einem professionellen Aufwärmtraining wurden in gemischten Teams die Sieger ermittelt. Am Nachmittag war handwerkliches Geschick gefordert. In einer Druckerei ritzten wir zunächst auf Linoleumplatten die Motive für unser Projektthema Olympia, diese wurden dann auf einer großen, antik anmutenden Maschine gedruckt.
Am Wochenende erlebten unsere Schüler* innen dann ein individuelles Programm mit ihren Gastfamilien. Einige besuchten ein Handball-Bundesliga-Match des Tabellenführers Nantes gegen Toulouse. Andere fuhren zum Atlantik. Hier durfte ein Schüler sich sogar im Strandsegeln erproben. Einzelne fuhren bis zum Mont Saint Michel. Den französischen Gasteltern gebührt daher ein dickes Lob, weil sie vielen Schüler*innen die Region und ihre Bräuche zeigten.
Ein Ausflug über die Loire mittels eines navibus (= offizielles Transportmittel, das zum ÖPNV gehört) nach Trentemoult, ein unweit von Nantes gelegenes Fischerdorf mit farbenfrohen Häusern, sowie eine nachgeholte Stadtrallye rundeten unser Programm ab.
Auch wenn vieles diesmal anders war als geplant, war der Schüleraustausch ein echter Erfolg. Es haben sich neue Freundschaften gebildet, einige Schüler* innen planen im Sommer noch einmal nach München zu kommen.
Da einige (inklusive Lehrkräfte) gerne noch länger in Nantes geblieben wären, hofften wir, dass sich unsere Rückfahrt vielleicht etwas herauszögern würde, zumal auch zwei Tage zuvor in Deutschland der Zugverkehr stillstand. Dem war aber nicht so. Am Morgen des 29.3. stellten wir fest: unser Zug fährt. Auch hier kamen wir, was für uns ein Novum war, absolut pünktlich wieder in München an.
Kirsten Mallmann, Anja Möst